„Nullkommanull Spielraum“

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Moment mal, bitte! Dario Caeiro ist eines der bekanntesten Gesichter beim TSV Ilshofen. Die kommende Saison wird für den Fußball-Oberligisten aus verschiedenen Gründen interessant, wie er offen erklärt.

Es ist eine komische Zeit für Sportler. Wegen der Corona-Pandemie gab es eine lange Zwangspause. Erst durften die Golfer wieder abschlagen, dann die Tennisspieler wieder aufschlagen und dann durften auch die Fußballer wieder auf den Platz. Die Saison wurde jedoch abgebrochen. Der TSV Ilshofen hat davon profitiert,
denn er stand in der Oberliga auf einem Abstiegsplatz. Da es aber keine Absteiger gibt, bleibt er in der fünfthöchsten Spielklasse. Dario Caeiro, Vorsitzender Fußball Herren beim TSV Ilshofen, hat besondere Wochen erlebt. Er macht sich Gedanken über den Fußball und auch darüber hinaus.

Herr Caeiro, die Oberliga-Spielkommission hat entschieden, dass die kommende Runde normal gespielt
werden soll. 40 Spiele kommen auf jeden Oberligisten zu. In einer Umfrage votierten zwei Drittel der Oberligisten für dieses Mammut-Programm.
Überrascht Sie das?
Dario Caeiro: Nein, es wundert mich nicht. Bei der Videokonferenz war das schon abzusehen.

Da die neue Saison zwangsläufig auch mehrere englische Wochen vorsieht – wie regeln das die Spieler
mit ihren jeweiligen Arbeitgebern?
Das müssen sie selbst tun. Wenn dann einer manchmal keinen Urlaub erhält, kann ich das nachvollziehen.
Unser Kapitän Maximilian Egner hat von einem „Wahnsinn“ gesprochen angesichts des Programms. Ich weiß nicht, ob die anderen Vereine ihre Spieler gefragt haben, ob die damit einverstanden sind. Zur Verdeutlichung:
Es gibt kein freies Wochenende bis Dezember, an allen bekannten Feiertagen sind auch Spiele angesetzt. Da kann ich schon verstehen, wenn da einer sagt: Bin ich wirklich so blöd und tue mir das an?

Sie selbst haben für das Alternativmodell votiert, das nach einer Einfach-Runde eine Meisterrunde und
eine Abstiegsrunde vorgesehen hätte.
Dann hätte es nur 30 Saisonspiele gegeben. Warum haben Sie sich dafür ausgesprochen?
Sicher nicht, weil wir dadurch eine größere Chance auf den Klassenerhalt gehabt hätten. Sondern
einfach, weil wir mit der 40er-Runde nullkommanull Spielraum haben. Dabei denke ich nicht nur an eine mögliche zweite Corona-Welle, sondern auch an das Wetter. Die Entscheidung empfinde ich als enttäuschend,
zeigt sie doch meiner Meinung nach, wie schnell manche wieder in die Ellbogengesellschaft zurückkehren
und nur die eigenen Interessen im Blick haben.

Was meinen Sie damit?
Wir sind allgemein davon ausgegangen, dass erst ab September wieder gespielt werden wird.
Jetzt geht es schon am 22. August los, der WFV-Pokal sogar Anfang August. Klar freue ich mich darüber,
dass es ein Stück weit Normalität gibt, aber es geht doch darum, in welcher Reihenfolge es
wieder Normalität in der Gesellschaft gibt. In den Schulen ist noch kein Normalbetrieb, in den
Kindergärten nicht, in den Betrieben nicht, bei den Gottesdiensten nicht – aber im Fußball. Da sieht
man, wer oder was eine besonders große Lobby hat und wer wohl am meisten Druck macht.

In der Fußball-Oberliga prallen Welten aufeinander. Einerseits gibt es professionell geführte Vereine wie die Stuttgarter Kickers, andererseits reine Amateurklubs, zu denen auch der TSV Ilshofen zählt. Wie stark nehmen Sie die Unterschiede wahr?
Ich bin mir derer schon bewusst. Wenn ich lese, dass der FV Ravensburg 80 Mitarbeiter hat oder
Christian Werner vom SGV Freiberg immer noch von einem „kleinen Club“ spricht, obwohl die aktuellen
Transferaktivitäten andere Rückschlüsse ziehen lassen, dann zeigt das die Unterschiede. In der abgelaufenen
Runde war es durch den VfB Stuttgart II noch krasser.

Vor einigen Wochen haben Sie öffentlich gesagt, dass die finanzielle Situation für den TSV in der Oberliga noch nicht gesichert sei.
Das war nicht nur so, das ist auch noch so. Fakt ist: Es hat noch kein Spieler bei uns einen Vertrag  unterschrieben. Wir warten noch auf Zusagen von Sponsoren, die momentan ganz andere Probleme
haben als die Frage, ob und wie sie einen Fußballverein unterstützen können. Wir sind da nicht allein,
nur die wenigsten Vereine können derzeit seriös planen.

Also haben Sie derzeit ausschließlich mündliche Zusagen?
Ja, die Jungs sagen, dass sie mitmachen, und daran glaube ich auch.

Die Verträge werden frühestens zum 1. August losgehen, was außergewöhnlich ist.
Ja, wir haben da einen gewissen Punkt erreicht. Die Fußball-Abteilung des TSV Ilshofen macht drei Viertel
des Gesamtumsatzes des Vereins aus. Da sagen einige, dass es sehr gefährlich für uns werden kann, gerade nach Corona. Aber klar ist: Das ist der absolut schlimmste Fall, dass alle Spieler keinen Vertrag erhalten und damit auch kein Geld.

Wie ist der momentane Stand in Sachen Sponsoren?
Wir sind mit allen in Kontakt. Kurzarbeit ist schon ein Thema für sich. Die Unternehmen konzentrieren
sich verständlicherweise im Moment aufs Kerngeschäft. Das sollen sie auch und sich loyal ihren Mitarbeitern
gegenüber verhalten.

Die Frage ist: Was ist jetzt wichtig?
Deshalb können wir warten. Wir haben nicht die riesengroße Sponsorenstruktur, aber die Signale sind so, dass bis auf einen alle weitermachen wollen.

Spüren Sie bei Ihren Mitkonkurrenten in dieser Hinsicht so etwas wie Corona-Demut?
Nein, ich habe nicht selten das Gefühl, dass da manche sagen: jetzt erst recht.

Inwieweit haben Sie staatliche Unterstützung erhalten?
Es gab viele Newsletter vom WLSB, vom WFV und natürlich vom Land. Und zwar für alle Sportarten, dank unseres Vorstands war ich da immer voll involviert.

Es schien viel Unterstützung zu geben. Es hieß, dass Vereine nicht sterben dürfen. Letztlich aber war es unfassbar enttäuschend. Warum?
Ich hatte mich von Anfang an mit dem Thema auseinandergesetzt, auch weil ich selbstständig arbeite.
Es gab vom Land den Antrag Soforthilfe Wirtschaft. Dieser war nicht für Vereine konzipiert. Zudem
hatte ja unsere Ministerin Frau Eisenmann gesagt, dass es noch eine Unterstützung für Vereine
geben wird. Ende Mai hörte ich dann von einem mir bekannten Steuerberater, dass dieser für
einige Vereine die Soforthilfe Wirtschaft beantragt hatte. Ich sollte das auch machen.

Haben Sie?
Nein, es sollte ja noch die Vereinsförderung geben und die Fragestellung im Antrag Wirtschaft
hat mir deutlich gemacht, dass Vereine hier nichts zu erwarten haben. Die Vereinsförderung kam
dann Anfang Juni auch, doch mit dieser konnte man als Verein keine Hilfe für Personalkosten für
Spieler beantragen. Im Antrag wurde ich auf die Soforthilfe Wirtschaft verwiesen. Bei dieser
aber war der 31. Mai der letzte Termin für den Antrag. Ich habe daraufhin eine Anfrage per Mail
beim Land gestellt, wie das gehen soll und warum der Ablauf so ist, aber bislang keine Antwort erhalten.
Ich bin schon ziemlich sauer darüber, wie das gelaufen ist.

Was bedeutet das für das Budget?
Ungefähr alle zehn Tage passen wir das den neuen Gegebenheiten an. Momentan rechne ich damit,
dass wir 30 bis 50 Prozent einsparen müssen. Dazu muss man wissen, dass die Personalkosten
rund 70 bis 80 Prozent ausmachen.

Das heißt, die finanziell guten Zeiten sind vorbei?
(lacht) Ah, der Mythos von dem vielen Geld in Ilshofen. Er ist eben das: ein Mythos. Nun, ich erinnere mich an einen Manager aus dem Jagsttal, der vor ein paar Jahren sagte, wenn Spieler von einem Oberligisten zu einem Verbandsligisten, der wir damals waren, wechseln, dann könne das ja nur finanzielle Gründe haben.
Nun ist es umgekehrt und wir waren in Verhandlungen mit einem Spieler dieses Jagsttal-Vereins. Er hat sich entschieden, dort zu bleiben.
Sollte das etwa an den Finanzen gelegen haben? Schade für uns, da wir die besten Jungs aus der Region benötigen für die Oberliga.

Ist der Klassenerhalt so überhaupt möglich?
Wir sind ja nicht naiv. Wir wissen ganz genau, dass dies eine spannende Herausforderung werden
wird.

Was macht Ihnen Hoffnung?
Wir haben in unserem Kader ausschließlich geile Typen, die mir das Gefühl geben, dass sie Bock auf den Verein und die Oberliga haben. Das gilt auch für die Neuen. So haben beispielsweise die beiden Satteldorfer Michael Etzel und Michael Eberlein mit mir noch nie über Geld gesprochen.
Sie und die anderen werden alles geben, mit Lust und Leidenschaft die Sache angehen.

 

Steckbrief
Dario Caeiro
Geburtstag: 23. September 1983
Geburtsort: Crailsheim
Wohnort: Ilshofen
Familienstand: in festen Händen
Beruf: Handelsvertreter
Hobbys: Fußball, Familie, Reisen, Kochen,
Snowboarden
Bisherige Stationen: Tura Untermünkheim
(Jugend), TSV Ilshofen
(Spieler, Abteilungsleiter, Sportlicher Leiter, Vorsitzender Fußball Herren)
Größte sportliche Erfolge: Aufstieg mit dem TSV Ilshofen von der Kreisliga A bis in die Oberliga (2011 bis 2018)

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